pervormance international

pervormance international: Klimaanlage zum Anziehen

Case Study
Titel
pervormance international: Klimaanlage zum Anziehen
Unternehmen & Organisation
pervormance international
Kategorie
Unternehmen
Themenbereich
Social, Umwelt (Environment)
Anvisierte SDGs
3, 8, 9, 11, 12, 13
Jahr
2022
Der Klimawandel heizt Städte immer weiter auf. Städtebauliche Infrastrukturmaßnahmen die hier Abhilfe schaffen, sind jedoch nicht auf die Schnelle umsetzbar. Zugleich sind Lösungen zum kurzfristigen Abkühlen von Räumen und Menschen, wie Klimaanlagen, verantwortlich für hohe Treibhausgasemissionen. Um diese wechselseitige Aufwärtsspirale von steigenden Emissionen und steigenden Temperaturen zu durchbrechen, braucht es schnellere und neue Lösungen. Der Hersteller von Spezialtextilien, pervormance international, entwickelt sogenannte Kühlfunktionskleidung und -stoffe. Diese kühlen und sparen bis zu 97% CO2e im Vergleich zu Klimaanlagen ein.

Ausgangssituation

Brütende Hitze, wenig Schatten und Abgase: Die Sommer in unseren Städten werden immer heißer und belastender. In großen Städten kann der Temperaturunterschied zum Land bis zu 10º Celsius betragen. Expert*innen sprechen hier auch von "Hitzeinseln". Mit steigender Außentemperatur steigt weltweit auch die Nachfrage nach Kühlung und somit nach Kühlgeräten(Klimaanlagen, Kühlschränke, etc.) rasant an. Die Internationale Energieagentur (IEA) hat ausgerechnet, dass im Jahr 2016 rund 2.000 Terrawattstunden für Kühlung verbraucht wurden. Das entspricht 10% des weltweiten Gesamtstromverbrauchs.

Die ökologischen und gesundheitlichen Folgen durch die steigenden Temperaturen in Städten sind wissenschaftlich gut belegt: Mit steigendem Stromverbrauch steigen die CO2e-Emissionen und bedrohen die Pariser Klimaziele. Gleichzeitig ist es für die Gesundheit der Menschen unerlässlich, dass es Lösungen zum Abkühlen gibt. Dies gilt v.a. für Risikogruppen wie ältere Menschen, Schwangere, Kinder oder Menschen mit Vorerkrankungen. Allein in den besonders heißen Sommern 2018 bis 2020 erlagen laut einer gemeinsamen Studie des Robert-Koch-Instituts (RKI), dem Deutschem Wetter-Dienst (DWD) und dem Umweltbundesamt (UBA) insgesamt fast 20.000 Menschen in Deutschland den Folgen der Belastung durch zu große Hitze.

Die Bundesregierung hat im Koalitionsvertrag (2022) das Thema aufgegriffen und festgelegt, dass Handlungsempfehlungen vom Umweltbundesamt (2017) gemeinsam mit den Bundesländern zu einer nationalen Klimaanpassungsstrategie weiterentwickelt werden sollen - mit einem deutlichen Fokus auf die Hitzevorsorge. Hier handelt es sich jedoch zumeist um bauliche Maßnahmen, die zu einer besseren Abkühlung führen und viel Zeit zur Umsetzung in Anspruch nehmen (z.B. öffentliche gekühlte Rückzugsorte „Cool Shelter“ oder „cool cities“ mit weniger versiegelten Böden). Ergänzend dazu müssen Maßnahmen ergriffen werden, um Abkühlung in Innenräumen von Gebäuden kurzfristig und klimafreundlich bereit zu stellen. Die meisten Klimaanlagen verwenden jedoch schädliche Kältemittel (z.B. fluorierte Gase), die die Atmosphäre im Vergleich zu CO2 um ein Vielfaches belasten (bis zu 24000-mal mehr). Einen innovativen Ansatz verfolgt in diesem Kontext das kleine baden-württembergische Textilunternehmen pervormance international, welches selbstkühlende Kleidung entwickelt.

Zielsetzung & Umsetzungsansatz

pervormance international hat das Ziel mit innovativen Textilien einen positiven Beitrag gegen Hitze und globale Erwärmung zu leisten und ist ein Pionier in der Herstellung von waschbaren und schnell wirksamen Kühltextilien. Die von pervormance entwickelten Textilien (z.B. E.COOLINE) sollen dabei die natürliche Kühlenergie des Wassers auf eine einfache, effektive und klimafreundliche Weise nutzen. Die speziellen Fasern nehmen Wassermoleküle auf und geben diese bei steigenden Temperaturen wieder ab. Dies erzeugt eine individuelle Kühlung mit bis zu 660 Watt/l und ist somit äußerst energieeffizient, da der Stoff nur den Bereich kühlt der unmittelbar betroffen ist - d.h. nur die bekleidete Person statt eines ganzen Raumes.

Laut eigenen Angaben war der Austausch der Firmengründerinnen mit Feuerwehrleuten ideengebend für selbstkühlende Kleidung: Im Einsatz steigen bei Einsatzkräften die Körpertemperaturen schnell auf Fiebertemperaturen von 39 Grad Celsius und höher an. Feuerwehrleute können dann innerhalb von einer halben Stunde bis zu 1,5 l Wasser ausschwitzen. Auch andere Branchen kämpfen mit sogenannten "heißen Arbeitsplätzen", dazu zählen etwa Stahlarbeiter*innen, Beschäftigte in Gießereien, auf Baustellen oder bei der Müllabfuhr. Die verlängerten Hitzephasen bringen für die betroffenen Personen gesundheitliche Risiken mit sich (z.B. Dehydrierung). Die Lösung von pervormance bietet hier Abhilfe. Heute empfehlen sowohl die Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung als auch einige Berufsgenossenschaften Kühlwesten für diese sogenannten Hitzearbeitsplätze. Bei chronisch kranken Menschen, die zusätzliche Hitzesymptome haben, werden die Kosten teilweise von der Krankenkasse oder den Versorgungsämtern übernommen. Selbst Leistungssportler haben bereits die Vorteile von kühlender Kleidung entdeckt (z.B. die Schweizer Fußballnationalmannschaft).

Die technische Besonderheit der kühlenden Kleidung liegt in ihrem speziellen Aufbau, da sie das physikalische Prinzip der Verdunstungskälte nutzt. Wasser, das vom menschlichen Körper abgegeben wird, dringt schnell und direkt in das innere Material ein und wird hier zunächst festgehalten. Die gebundenen Wassermoleküle erzeugen bei der anschließenden Verdunstung die gewünschte Kühlfunktion. Die Oberstoffe hingegen bleiben trocken. Im Aufbau sind die innere sowie äußere Schicht aus 100% Polyester. Naturfasern sind dafür zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht geeignet, da diese Wasser einlagern und der/die Nutzer*in dadurch nass werden würde.

Das Unternehmen hat trotz synthetischen Materialien den eigenen Anspruch, neben den medizinischen Aspekten, explizit auch Umweltanforderungen gerecht zu werden. pervormance international hat seine Produktion an direkten Nachhaltigkeitskriterien ausgerichtet. Das Unternehmen hält beispielsweise seine zeitlos modernen Kollektionen klein - u.a. sind alle Produkte bis auf eines unisex- und über die Jahre weitgehend konstant. Dies soll der Ansammlung von Abfällen vorbeugen. Des Weiteren wird die Vliestechnologie bereits zum Teil aus upgecycelten Abfallfasern hergestellt, d.h. die verwendeten Rohstoffe bekommen als Sekundärmaterialien einen höheren Nutzungswert als in ihrem ursprünglichen Produktzyklus.

Das Unternehmen sieht den größten Effekt der Reduktion von Treibhausgasen durch den Einsatz ihrer emissionsarmen Kühltextilien statt einer Nutzung von energieintensiven Klimaanlagen und deren Kältemittel. Dennoch setzt pervormance international jedoch auch auf das weitere Senken der eigenen Emissionen und hat ein THG-Management entlang der eigenen Produktionslinie in Scope 1 und Scope 2 nach dem GHG Protocol aufgesetzt. Hier werden gezielt THG-Emissionen reduziert bzw. wo noch nötig kompensiert. So wird z.B. auf möglichst kurze Lieferwege und erneuerbaren Energieeinsatz geachtet, die Emissionseinsparungen im Produktionsprozess unterstützen sollen.

Einen konkreten Umsetzungsansatz für die pervormance-Technologie zeigt die Stadt Heidelberg: Dort setzt die Verwaltung seit Sommer 2022 Kühlwesten und kühlende Kopfbedeckungen in städtischen Bereichen mit Hitzebelastung ein. Die Textilien werden auch in den kommunalen Hitzeaktionsplan eingebunden. Damit einher geht auch ein Umdenken bei vielen Anwender*innen: Noch vor ein paar Jahren bevorzugten viele eine Klimaanlage, um eine technische Lösung per „Knopfdruck“ zu erhalten und solche „einfacheren“ Temperaturanpassungslösungen wurden häufig noch abgelehnt. Nicht nur die Klima- und Energiedebatte bewirkt hier ein kontinuierliches Umdenken…

Aktuell arbeitet pervormance international an weiteren Einsatzmöglichkeiten: Aus diesem Grund untersucht die Geschäftsleitung die Möglichkeiten, die Technologie zur Raumkühlung auch in Gebäuden oder Fahrzeugen einzusetzen.

Ergebnisse

Das Beispiel von pervormance zeigt, wie sich ein (Textil-)Unternehmen durch einen innovativen Ansatz neue Geschäftsfelder erschließen kann und gleichzeitig einen Beitrag zum Klimaschutz verfolgt. In diesem Fall stand zunächst ein gesundheitlicher Aspekt im Vordergrund, nichtsdestotrotz wurden Umwelt und Klima von Anfang an mitgedacht (z.B. durch Up- und Recycling der Materialien). Laut eigenen Angaben des Unternehmens spart die Funktionskleidung bei ähnlicher Kühlleistung (ca. 660 Watt) über 90% CO2 im Vergleich zu Klimaanlagen.

Ein positiver Nebeneffekt: Eine verstärkte Anwendung von selbstkühlenden Textilien reduziert den Lärm von Klimaanlagen, vermindert das Aufheizen der Städte und erhöht die Luftfeuchtigkeit in Räumen, was zur verminderten Ausbreitung von Viren und Bakterien beiträgt.

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