MTU Aero Engines

MTU Aero Engines: Technologie-Agenda „Claire“ für ein emissionsfreies Fliegen

Case Study
Titel
MTU Aero Engines: Technologie-Agenda „Claire“ für ein emissionsfreies Fliegen
Unternehmen & Organisation
MTU Aero Engines
Kategorie
Unternehmen
Themenbereich
Umwelt (Environment)
Anvisierte SDGs
9, 13
Jahr
2022
Die Luftfahrtbranche steht vor der Herausforderung, innovative Lösungen zu finden, um eine Treibhausgasneutralität zu erreichen. Steigende Anforderungen durch Kunden und Gesetzgeber sowie eine höhere gesellschaftliche Erwartungshaltung beschleunigen den Handlungswillen. Als Schritt in Richtung Nachhaltigkeit hat das Unternehmen MTU Aero Engines seine Technologie-Agenda „Clean Air Engine“ (Claire) fortgeschrieben.

Ausgangssituation

Der Luftverkehr ist für etwa drei Prozent der weltweiten CO2-Emissionen und für weitere klimarelevante Emissionen wie Rußpartikel, Wasserdampf und Stickoxide verantwortlich. Laut Statistischem Bundesamt erhöhten sich die Passagierzahlen an deutschen Flughäfen von rund 90 Millionen im Jahr 2009 auf knapp 125 Millionen Reisende im Jahr 2019. Nach einem kurzen Rückgang mit Beginn der Corona-Pandemie ist die Nachfrage nach Flugreisen inzwischen wieder gestiegen. Neben dem Personenverkehr steigt auch im Güterverkehr die Anzahl der Flüge stetig. Laut Bundesverband der Deutschen Industrie werden mehr als 30% der deutschen Exporte nach Übersee per Luftfracht transportiert.

Vor dem Hintergrund, dass die Wirtschaft – einschließlich des Verkehrssektors – bis 2050 europaweit und bis 2045 in Deutschland klimaneutral sein soll, stellt sich die Frage: Wie kann Mobilität in der Luft klimafreundlicher werden? Die Elektrifizierung mittels Batterien, wie sie sich in der Automobilindustrie immer stärker durchsetzt, eignet sich wegen des hohen Gewichts nicht als Lösung für die kommerzielle Luftfahrt. Partner aus Industrie und Forschung arbeiten deshalb an der Weiterentwicklung der Fluggasturbine, an der Entwicklung neuer Antriebskonzepte sowie nachhaltiger Flugkraftstoffe. Der Münchener Triebwerkshersteller MTU Aero Engines, ein weltweit führendes Unternehmen in der Entwicklung, Fertigung und Instandhaltung von Triebwerken für die Luftfahrt, arbeitet an der Vision des emissionsfreien Fliegens. Dabei orientiert sich das Unternehmen am Pariser Klimaschutzabkommen von 2015 - mit dem Ziel, die Erderwärmung auf deutlich unter 2 Grad, möglichst 1,5 Grad Celsius zu begrenzen.

Zielsetzung & Umsetzungsansatz

Für die Luftfahrt bedeutet das neben der Reduktion von CO2-Emissionen auch die Minimierung von Stickoxid-Emissionen und die Verringerung der Klimawirkung durch Kondensstreifen. Diesen Paradigmenwechsel nimmt MTU mit der Fortschreibung ihrer Technologie-Agenda „Clean Air Engine“, kurz: Claire, auf und weist neben der Energieverbrauchsreduktion nun auch Potenziale zur Reduktion der Gesamtklimawirkung für verschiedene Lösungsoptionen auf. Der Zeitplan sieht vor, Produkte, die klimaneutrales Fliegen ermöglichen, bereits deutlich vor 2050 auf den Markt zu bringen, um 2050 eine entsprechende Flottendurchdringung und damit Wirkung zu erzielen. Die Technologie-Agenda „Claire“ des Unternehmens unterteilt sich in drei Etappen:

  1. Getriebefan: Durch die erste Etappe von Claire wird die kontinuierliche Reduktion des Kraftstoffverbrauchs sowie die Absenkung von CO2-Emissionen von Luftfahrtantrieben erreicht. Diese wird mit der ersten Generation der Pratt & Whitney GTF TM -Triebwerksfamilie erreicht. Die MTU hat diese Antriebe gemeinsam mit dem US-amerikanischen Partner realisiert. Sie kommen in modernen Kurz- und Mittelstreckenflugzeugen zum Einsatz und reduzieren Kraftstoffverbrauch und CO2-Emissionen im Vergleich zur Vorgänger-Triebwerksgeneration um je 16 %. Auch die NOx-Emissionen sind um 50 % geringer als bei Vorgängermodellen. Eine weitere Absenkung des Kraftstoffverbrauchs und der CO2-Emissionen ist für alle GTF-Nachfolgeversionen geplant. An technologischen Weiterentwicklungen wird kontinuierlich gearbeitet.
  2. Einsatz neuer Antriebskonzepte: Neben der evolutionären Weiterentwicklung des GTF setzt die MTU auf neue Antriebskonzepte. Sie sollen ab 2035 zum Einsatz kommen: Die MTU setzt dabei primär auf die Antriebskonzepte des Water-Enhanced Turbofan (WET) auf Basis des GTF sowie der Fliegenden Brennstoffzelle (Flying Fuel Cell, FFC) für kürzere Strecken im Regionalverkehr. Die WET-Technologie nutzt die Energie aus dem Abgasstrahl des Triebwerks. Hierzu wird mittels eines Dampferzeugers Wasser verdampft und in die Brennkammer eingespritzt. Das notwendige Wasser wird in einem Kondensator aus dem Abgas gewonnen. Eine solche nasse Verbrennung mindert den Ausstoß von Stickoxiden. Kraftstoffverbrauch, CO2-Emissionen deutlich. Auch die Bildung von Kondensstreifen lassen sich bei diesem Konzept stark verringern. Mit Blick auf der Nutzung von SAF (s.u.) und grünem oder blauen Wasserstoff kann eine Reduktion der Treibhausgasemissionen um etwa 80 % erreicht werden. Die Flying Fuel Cell wandelt über eine Brennstoffzelle Wasserstoff in Strom um, welcher wiederum zum Betrieb von Elektro-Motoren genutzt wird. Mit diesem Antriebssystem werden weder CO2- und NOx-Emissionen noch Partikel erzeugt. Lediglich Wasser bleibt als Emission übrig. Bei Nutzung von grünem oder blauem Wasserstoff kann die FFC die Treibhausgasemission um bis zu 95 % reduzieren.
  3. Weitere Optimierungen: 2050 markiert die dritte Claire-Etappe. Die MTU hat sich das Ziel gesetzt, die Gesamteffizienz sowohl für den Getriebefan als auch WET weiter zu verbessern. Auch die FFC soll weiter optimiert werden und auf der Kurz- und Mittelstrecke zum Einsatz kommen.

Einsatz erneuerbarer Kraftstoffe: Um neben den drei Etappen von Claire bereits kurzfristig die Klimawirkung von MTU zu verringern, verfolgt das Unternehmen den Einsatz nachhaltiger Kraftstoffe. Diese sogenannten Sustainable Aviation Fuels (SAF) führen zu einem weitgehend geschlossenen Kohlenstoffkreislauf: Das während der Verbrennung freigesetzte CO2 wird zur Kraftstoffherstellung bestenfalls vollständig aus der Atmosphäre gewonnen. Weiteres Potenzial zeigen die SAF bei Kondensstreifen: Ihre Bildung kann laut ersten Studien ebenfalls reduziert werden.

SAF können aus Biomasse oder aus erneuerbarer Energie hergestellt werden, beispielsweise über das Power-to-Liquid-Verfahren (PtL). Bereits heute können sie „drop-in“, also ohne Anpassung an Flugzeug und Triebwerk, in der bestehenden Flotte in Beimischungen bis zu 50 % eingesetzt werden. Das Potenzial zur Reduktion der Klimawirkung ist dabei nicht zu unterschätzen. Aktuell stellt sich die Herausforderung, dass die Herstellverfahren zwar entwickelt und zugelassen sind, jedoch nur vereinzelte Anlagen im Industriemaßstab verfügbar sind. Die notwendigen Produktionskapazitäten müssen daher kurzfristig geschaffen werden.

Obwohl selbst kein Kraftstoffhersteller, unterstützt die MTU mehrere Vorhaben zum Aufbau von PtL-Produktionsanlagen. Zudem ist die MTU Maintenance weltweit das erste Instandhaltungsunternehmen, das auf seinen Prüfständen Abnahmeläufe mit SAF anbietet. 

Die MTU setzt zur Erreichung seiner in „Claire“ formulierten Strategie auf Kooperationen. Diese ist wichtig bei der Erforschung und Entwicklung neuer Flugzeug- und Antriebskonzepte. Ziel ist es, die entstehenden Kosten gemeinsam zu schultern und auf das dafür benötigte Know-how und Personal zurückgreifen zu können. Deshalb hat die MTU etwa das „Bauhaus Luftfahrt“ mit initiiert. Unter dessen Dach kommen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler verschiedener Disziplinen zusammen.

Die MTU engagiert sich des Weiteren auf dem Gebiet alternativer Kraftstoffe über den Verein aireg (Aviation Initiative for Renewable Energy in Germany e.V.) sowie als strategischer Partner in mehreren Projekten zum Aufbau von SAF-Produktionsanlagen. Auch der Einsatz von Brennstoffzellen in der Luftfahrt erfordert noch weitere Forschung, wofür sich MTU mit dem Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) zusammengetan hat.

Ergebnisse

Mit der Technologie-Agenda Claire arbeitet hat die MTU eine langfristige Unternehmensvision eines emissionsfreien Luftverkehrs verabschiedet. Um dies zu erreichen, liegt Ihr Fokus neben der Weiterentwicklung des Getriebefans als bestehende Technologie auch auf neuen Antriebskonzepten und alternativen Kraftstoffen. Die formulierten Lösungsmöglichkeiten und Konzepte sind innovativ und zeigen dadurch neue Strategien für die Luftfahrt auf. Um das langfristige Ziel eines Treibhausgas-freien Luftverkehrs zu erreichen ist die MTU Teil eines Netzwerks aus rund 100 Forschungspartnern. Im Jahr 2021 hat sie ca. 230 Millionen Euro in Forschung & Entwicklung investiert. Der Erstflug eines Flugdemonstrators mit Brennstoffzelle ist für die Mitte der Dekade geplant.

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