Bayer nimmt die Ursachen von Kinderarbeit in den Blick
- Titel
- Bayer nimmt die Ursachen von Kinderarbeit in den Blick
- Unternehmen & Organisation
- Bayer AG
- Kategorie
- Unternehmen
- Themenbereich
- Social, Reporting, Lieferkette
- Anvisierte SDGs
- 1, 4, 8, 12
- Jahr
- 2022
Ausgangssituation
Laut jüngsten Schätzungen der Internationalen Arbeitsorganisation (International Labour Organisation, ILO) und dem UN-Kinderhilfswerk Unicef ist die Prävalenz von Kinderarbeit zuletzt wieder angestiegen – erstmals seit einem Jahrzehnt. Im Jahr 2020 befanden sich demnach rund 160 Mio. Kinder in Kinderarbeit, knapp die Hälfte von ihnen übt gefährliche oder gesundheitsschädliche Tätigkeiten aus. Weitere 9 Mio. Kinder sind infolge der wirtschaftlichen Auswirkungen der Covid-19 Pandemie von Kinderarbeit bedroht.
Die Zahlen zeigen: Kinderarbeit bleibt eine große Herausforderung. Insbesondere in der Landwirtschaft besteht in vielen Ländern ein hohes Risiko der Kinderarbeit. Unternehmen, die sich dieser Herausforderung mit Blick auf ihre Lieferketten annehmen möchten, müssen über reine Verbote hinausdenken. Denn da Familien oft auf das Einkommen der Kinder angewiesen sind oder kein Zugang zu Bildung möglich ist, besteht die Gefahr, dass sich Kinderarbeit lediglich in andere Wirtschaftszweige und Tätigkeiten verschiebt, die schlimmstenfalls sogar noch gefährlicher für Kinder sind. Um tatsächlich und nachhaltig einen Beitrag zur Beseitigung von Kinderarbeit zu leisten, braucht es seitens Unternehmen eine differenzierte Herangehensweise.
Auch die Bayer AG, ein börsennotierter Chemie- und Pharmakonzern, hat in ihren Lieferkette Risiken von Kinderarbeit identifiziert – insbesondere in der Saatgutlieferkette von Bayers „Crop Science“-Sparte in Indien. Allein im Bereich Baumwolle war Bayer über seine rund 120 direkten Saatgutlieferanten mit bis zu 29.000 kleinbäuerlichen Erzeuger*innen verknüpft. Auf diesen Farmen kam es immer wieder zu Fällen von Kinderarbeit. Auch mit Blick auf die Erzeugung von Reis-, Mais- oder Gemüsesaatgut kann Kinderarbeit ein Risiko darstellen. Mit dem <meta charset="UTF-8" />Child Care Programm möchte das Unternehmen die Ursachen von Kinderarbeit in der Saatgutlieferkette verstehen und Ansätze zu deren Prävention und Adressierung umsetzen.
Zielsetzung & Umsetzungsansatz
Das Child Care Programm wird von Bayer derzeit in Indien, Bangladesch und den Philippinen umgesetzt. Mit dem Programm hat sich das Unternehmen zum Ziel gesetzt, in besonders risikobehafteten Bereichen systematisch gegen Kinderarbeit vorzugehen, sie nach Möglichkeit zu beenden und auch zukünftigen Fällen vorzubeugen. Damit erkennt Bayer an, dass es neben einem in Lieferverträgen festgelegten Verbot von Kinderarbeit auch Engagement auf Ebene der Farmen braucht, um Kinderarbeit nachhaltig zu begegnen.
Das Programm kombiniert deshalb verschiedene Ansätze: Zunächst werden die Saatgutlieferanten von Bayer für das Thema sensibilisiert. Nicht immer ist klar, was eigentlich als Kinderarbeit zählt, ab wann und warum diese schädlich für Kinder ist. Je nach Zielgruppe werden verschiedene Sensibilisierungsmaßnahmen durchgeführt. Diese können beispielsweise das Aufdrucken von entsprechenden Botschaften auf den Verpackungen des Saatguts oder auch persönliche Gespräche mit den Farmer*innen reichen umfassen.
Zudem umfasst das Programm auch konkrete Maßnahmen zur Stärkung der Produktivität der Farmer*innen als Hebel zur Bekämpfung von Kinderarbeit. Bayer führte ein branchenweit einzigartiges Schulungsprogramm zur Produktivitätssteigerung ein, das dazu beitrug, die Ernteproduktivität zu steigern und dadurch auch die Profitabilität der Saatguterzeugung für die Bäuerinnen und Bauern zu erhöhen, was wiederum die finanzielle Abhängigkeit von Einkommen aus Kinderarbeit reduziert und Investitionen in Schulbildung für Kinder ermöglicht.
Ferner überprüft Bayer regelmäßig die Einhaltung von Menschenrechtsstandards durch seine Lieferanten – auch im Hinblick auf Kinderarbeit. Die Überprüfungen setzen sich aus regelmäßigen vor-Ort-Besuchen durch lokale Bayer-Mitarbeiter*innen sowie zusätzliche Stichprobenkontrollen durch ein extra geschultes, internes Audit-Team zusammen. Mit Blick auf den Baumwollanbau wird jedes Feld beispielsweise bis zu vier Mal pro Saison unangekündigt besucht. Werden Fälle von Kinderarbeit identifiziert, so werden Lieferanten zunächst verwarnt und auf das vertraglich vereinbarte Verbot von Kinderarbeit hingewiesen. Kommt es trotz Präventionsmaßnahmen zu weiteren Verstößen, kann im wiederholten Fall auch ein Vertragsabbruch zu Buche stehen. Farmer*innen, die hingegen nachweislich keine Kinderarbeit einsetzen, erhalten einen finanziellen Anreiz in Form eines Bonus, der zum Ende der Saison ausgezahlt wird.
Gleichzeitig ist sich Bayer des Risikos bewusst, dass sich Kinderarbeit häufig lediglich verlagert – das Kind also an anderer Stelle und mangels Alternativen erneut eine Arbeit aufnimmt. Sensibilisierungsmaßnahmen sowie Sanktionierungs- und Anreizsysteme werden im Rahmen des Child Care Programms daher ergänzt durch präventive Ansätze zur Förderung des Schulbesuchs der Kinder. Hierzu besucht Bayer die Eltern der betroffenen Kinder auf den Feldern ihrer Lieferanten, sensibilisiert sie für die Wichtigkeit einer Schulbildung ihrer Kinder und unterstützt die Eltern, ihre Kinder in lokalen Schulen anzumelden.
Im Rahmen seiner „Learning for Life“ Initiative setzt Bayer seit 2010 ein berufsorientiertes Programm für Kinder und Jugendliche um, welches den Fokus auf moderne Landwirtschaft legt. Zu Beginn des Programmes hatte Bayer zudem spezielle Übergangs- oder „Brücken“-Schulen ins Leben gerufen, welche die Kinder, die auf den Feldern gefunden wurden, auf die reguläre Schulen vorbereitete. Angesichts der stark zurückgegangenen Kinderarbeitsfälle in Bayers Lieferkette sind diese speziellen Schulen mittlerweile aber nicht mehr notwendig sind. Insgesamt wurden seit 2005 mehr als 7.200 Kinder mit der „Learning for Life“ Initiative erreicht, die in der Folge nicht mehr auf den Feldern arbeiteten, sondern eine Schulbildung wahrnehmen konnten – manche sogar bis zur Universität.
Da Kinderarbeit häufig eine systemische Herausforderung mit strukturellen Ursachen ist, engagiert sich Bayer zudem gemeinsam mit anderen Saatgutunternehmen in der Multi-Stakeholder-Initiative „Enabling Child and Human Rights with Seed Organizations“ (ECHO). ECHO ist ein Forum, in dem verschiedene Saatgutunternehmen sowie weitere Stakeholder zusammenkommen, um sich auszutauschen und die Einhaltung von Kinder- und Menschenrechten in ihrer Industrie hierdurch gemeinsam zu stärken.
Ergebnisse
Über die Jahre hat Bayer durch das Child Care Programm zahlreiche Fälle von Kinderarbeit in der Saatgutlieferkette identifiziert und adressiert. Zur Messung der Ergebnisse des Programms setzt das Unternehmen die Anzahl der Kinderarbeitsfälle ins Verhältnis zur Gesamtanzahl der auf den auditierten Saatgutfarmen tätigen und auf ihr Alter hin überprüften Arbeitskräfte.
Im ersten Umsetzungsjahr hat Bayer farmenübergreifend das Alter von 43.241 Arbeiter*innen überprüft und 105 Kinderarbeitsfälle ausfindig gemacht. Dies entspricht 0,24%. In der Erntesaison 2019/2020 wurden hingegen auf 121.116 überprüfte Arbeiter*innen nur noch 14 Fälle von Kinderarbeit identifiziert – also ein Anteil von 0,012%. Dieser Indikator ist jedoch in der Pandemie leicht gestiegen. In der Erntesaison 2020/2021 wurden auf 262.680 überprüfte Arbeiter*innen 40 Fälle von Kinderarbeit identifiziert – dies ist ein Anteil von 0,015%.
Auch in Zukunft will die Bayer AG sich weiter für die Verminderung von Kinderarbeit einsetzen. Hierzu wird das Child Care Programm kontinuierlich und im Austausch mit Stakeholdern verbessert. Dies beinhaltet auch die Ausweitung des Programms in andere Regionen.
Anmerkung: Im Jahr 2021 hat Bayer seine Baumwollsparte verkauft und fokussiert das Child Care Programm nun auf die Reis-, Gemüse- und Mais-Lieferketten.
Weitere Informationen
- Bayer Nachhaltigkeitsbericht 2021
- Global Child Forum – Case Study Bayer
- Bayer Webseite: Bereich 'Nachhaltigkeit -- Menschenrechte'
- Hochschule Pforzheim – Analyse des Child Care Programms Bayer