Klimaschutz: Die Zeit zum Handeln ist jetzt

Unternehmen spielen beim Kampf gegen den Klimawandel eine Schlüsselrolle. Der UN Global Compact gibt ihnen dafür wirksame Instrumente an die Hand.

Die Welt steht am Scheideweg, und mit ihr die Unternehmen. „Zwei Wege liegen vor uns“, so formuliert es Sanda Ojiambo, CEO und Executivdirektorin des UN Global Compact. „Ein zutiefst fehlerhafter Business-as-usual-Ansatz. Oder eine globale Wirtschaft, die die Menschen, den Planeten und die natürlichen Systeme, die uns erhalten, schützt. Business-as-usual ist nicht länger eine Option.“ Es ist Zeit, zu handeln. Schon jetzt ist die globale Durchschnittstemperatur im Vergleich zum vorindustriellen Zeitalter um 1,1 Grad gestiegen. Um die Klimakatastrophe noch abzuwenden, muss die Erderwärmung auf 1,5 Grad begrenzt werden. Wie ernst die Lage ist, zeigt auch der jüngste UN-Klimabericht, der kurz vor Beginn des Weltklimagipfels in Glasgow (COP26) erschienen ist. Er sieht die Welt auf einem katastrophalen Weg, hin zu einer Erderwärmung von 2,7 Grad bis zum Ende des Jahrhunderts – mit dramatischen Folgen für die Menschheit. UN-Generalsekretär António Guterres warnte vor einem „massiven Verlust von Menschenleben und Lebensgrundlagen“. Die Staaten der Welt müssten ihre Anstrengungen versiebenfachen, um das 2015 in Paris beschlossene 1,5-Grad-Ziel noch zu erreichen.

CEOs sehen Dringlichkeit beim Klimaschutz

Es darf beim Klimaschutz kein „Weiter so“ geben – nicht nur auf dem Klimagipfel im schottischen Glasgow, auch hierzulande war dieser Satz zuletzt oft zu hören. Die Erkenntnis ist auch in den Unternehmen angekommen, wie eine aktuelle Untersuchung des UN Global Compact und der Beratung Accenture zeigt. Für die Nachhaltigkeitsstudie wurden mehr als 1.230 CEOs aus 113 Ländern befragt. Die gute Nachricht: Den meisten ist bewusst, wie dringlich das Thema Klimaschutz ist. Der Druck, nachhaltiger zu wirtschaften, wächst. So gaben fast drei Viertel (73 Prozent) der befragten Führungskräfte an, verstärkten Handlungsdruck zu spüren. Das liegt unter anderem daran, dass die Unternehmen den Klimawandel zunehmend als Geschäftsrisiko wahrnehmen: Knapp die Hälfte (49 Prozent) sehen extreme Wetterereignisse wie Wirbelstürme oder Überflutungen, die die Lieferkette unterbrechen können, als große Gefahr. Auch Investoren drängen auf mehr Klimaschutz. Es wundert also nicht, dass 57 Prozent der Befragten erklärten, dem Klimaschutz Priorität einzuräumen. 81 Prozent sind nach eigenen Angaben bereits dabei, nachhaltigere Produkte und Dienstleistungen zu entwickeln. Von der Politik allerdings fühlen sich viele Wirtschaftsvertreter:innen allein gelassen. Die weniger gute Nachricht lautet nämlich: Nur 18 Prozent der Firmenchefinnen und -chefs sind der Meinung, dass die von Regierungen gesetzten Rahmenbedingen ausreichend klar sind, um ihre Klimaschutzziele zu erreichen.

In Deutschland hatte schon im Oktober eine gemeinsame Erklärung von 69 Unternehmen für Aufmerksamkeit gesorgt. Darunter sind etwa der Allianz-Versicherungskonzern, die Deutsche Telekom und die Drogeriekette Rossmann. Sie fordern von der zukünftigen Bundesregierung eine ehrgeizigere Klimapolitik und verlässliche Rahmenbedingungen für ihr wirtschaftliches Handeln, konkret müssten zum Beispiel der Ausbau der Erneuerbaren Energien und der dazu gehörigen Infrastruktur wie Stromnetze vorangetrieben werden. „Die Dekade des Handelns für den Klimaschutz hat begonnen“, sagt Michael Otto, Aufsichtsratschef der Otto-Gruppe und Präsident der Stiftung 2 Grad, die hinter der Initiative steht.

Schlüsselrolle der Unternehmen

Beim Kampf gegen den Klimawandel kommt den Unternehmen eine Schlüsselrolle zu, unter anderem um diese ging es auch bei der Weltklimakonferenz. „Unternehmen auf der ganzen Welt erkennen, dass nachhaltige Geschäfte gute Geschäfte sind, dass die Dekarbonisierung von Prozessen und Lieferketten nicht nur richtig, sondern auch klug ist“, erklärte UN-Generalsekretär Guterres. „Verbraucher erwarten es. Mitarbeitende fordern es. Und unsere Zukunft hängt davon ab.“

Damit Nachhaltigkeitsziele keine leeren Worthülsen bleiben, braucht es konkrete Maßnahmen. Die Initiative Science-Based Targets (SBTi), unter anderem vom UN Global Compact ins Leben gerufen und getragen, unterstützt Unternehmen dabei, wissenschaftsbasierte Ziele (SBTs) zur Senkung ihrer CO2-Emissionen festzulegen und zu erreichen. Seit ihrem Start im Jahr 2015 haben sich die SBTs zum weltweit anerkannten Standard in der Unternehmenswelt entwickelt. Jüngste Daten zeigen, wie wirksam sie sind: Zwischen 2015 und 2020 haben Unternehmen, die mit ihnen arbeiten, ihre Emissionen um ein Viertel gesenkt – im gleichen Zeitraum stiegen die globalen Energie- und Industrieemissionen um 3,4 Prozent. Weltweit setzen heute bereits mehr als 1000 Unternehmen beim Weg in die Klimaneutralität auf SBTs. Sie bringen es zusammen auf eine Marktkapitalisierung von 23 Billionen US-Dollar, die damit größer ist als das Bruttoinlandsprodukt der USA, und beschäftigen 32 Millionen Menschen.

Zuletzt verschärfte die Initiative die Anforderungen an die teilnehmenden Unternehmen: Künftig akzeptiert sie nur noch Klimaschutzpläne, die in Einklang mit dem 1,5-Grad-Ziel stehen. Zuvor hatten auch Pläne ausgereicht, die zu einer Begrenzung der Klimaerwärmung von „deutlich unter 2 Grad“ beitragen. „Durch die Kampagne ‚Business Ambition for 1,5°C‘ haben wir einen beispiellosen Anstieg des Engagements von Unternehmen zur Bewältigung des Klimanotstands erlebt“, erklärte UN Global Compact Vorsitzende Ojiambo. Nun sei es an den Unternehmen, Vertrauen zu schaffen, indem sie sich glaubwürdige und unabhängig festgesetzte Emissionsziele setzten. „Greenwashing und irreführende Zugeständnisse haben auf unserem Weg zur Netto Null keinen Platz“, so Ojiambo weiter.

Neu ist der jüngst von der SBTi entwickelte Net-Zero-Standard. „Net Zero“ steht für „Netto-Null-Emissionen“. Der Standard stellt Unternehmen einen Rahmen zur Verfügung, mit dem sie nun auch langfristige Net-Zero-Klimaziele festlegen und erreichen können. Der Standard unterstützt sie dabei, die Emission von Treibhausgasen so weit wie möglich zu reduzieren, ihre Geschäftstätigkeiten also zu „dekarbonisieren“. Diejenigen Emissionen, die nicht vermeidbar sind, gleichen sie über sogenannte Kohlenstoffsenken aus, natürliche oder technische Prozesse, mittels derer CO2 langfristig aus der Atmosphäre wieder gebunden wird. Ihr Wirtschaften hat somit also „netto“ keinen negativen Einfluss mehr auf das Klima und steht im Einklang mit dem 1,5-Grad-Ziel.

Die Welt bekennt sich zum Kohleausstieg

Der „Glasgow Climate Pact“ enthält erstmals ein Bekenntnis der Weltgemeinschaft zum Abschied von der Kohle, im letzten Moment wurde die Formulierung jedoch abgeschwächt. Statt von einem Ausstieg („phase-out“) ist nun von einem Abbau („phase-down“) die Rede. Zu den positiven Überraschungen der Weltklimakonferenz zählt, dass die beiden größten Treibhaugasverursacher der Welt, China und die USA, einen Pakt für mehr Klimaschutz vereinbarten und sich dazu bekannten, zusammen die Emissionen zu senken. Generalsekretär Guterres lobte die Vereinbarung der beiden Länder als „wichtigen Schritt in die richtige Richtung“. Zudem nannten mehrere Staaten, die genau das bisher strikt vermieden hatten, erstmals konkrete Daten, wann sie klimaneutral sein wollen, zum Beispiel Australien, Indien und Saudi-Arabien. Auch bei der Entwaldung gab es Fortschritte: Mehr als 100 Staaten verpflichteten sich, bis 2030 die Zerstörung der Wälder zu stoppen. Besiegelt wurde außerdem das Aus des Verbrennermotors. Deutschland allerdings schloss sich dieser Erklärung nicht an. Wohl aber einer Initiative, deren Mitglieder die Finanzierung fossiler Energien im Ausland bis Ende 2022 auslaufen lassen.

Umstritten war auch in Glasgow, wer für die Klimafolgeschäden zahlt. Die negativen Folgen des Klimawandels treffen schon heute vor allem die Länder des globalen Südens. Sie fordern Schadenersatz von den reichen Industrienationen. Diese hatten schon 2015 versprochen, den Entwicklungsländern ab 2020 jährlich 100 Milliarden US-Dollar bereitzustellen, ihr Versprechen aber gebrochen. Die Industrieländer wurden nun „dringend“ aufgefordert, ihre Zusagen einzuhalten – dazu verpflichtet, die Fehlbeträge auszugleichen, wurden sie jedoch nicht.

Eine Einigung gab es bei Artikel 6 aus dem Pariser Abkommen, um sie war jahrelang gerungen worden. Artikel 6 regelt den weltweiten Handel mit Emisissionszertifikaten und sieht vor, dass Staaten (oder Unternehmen) in Klimaschutzprojekte in ärmeren Ländern investieren und sich das eingesparte CO2 gutschreiben lassen können. Die Befürchtung: Beide Seiten könnten sich die Einsparungen anrechnen lassen – doppelte Zählung, halber Nutzen für den Klimaschutz. Nun ist klar: Eine solche zweifache Anrechnung von Klimaschutzmaßnahmen darf es nicht geben. Für Unternehmen führen die Vereinten Nationen ein weltweites Siegel ein, mit dem diese nachweisen können, dass sie sich beim Emissionshandel an die Regeln der UN halten.

Die Reaktionen auf die Beschlüsse der Weltklimakonferenz sind gemischt. Während etwa Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD) die Ergebnisse in Bezug auf den Kohleausstieg als „historischen Moment“ bezeichnet, gehen sie dem UN-Generalsekretär nicht weit genug. Die Fortschritte seien nicht nur „nicht genug“ sondern auch voller „Widersprüche“, erklärte Guterres: „Die Klimakatastrophe steht weiter vor der Tür.“

Es bleibt viel zu tun.

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