Einblicke in die Debatte zum Gesetz zur Frauenquote und Unterstützungsangebote des UN Global Compact zu Gender Equality

Einblicke in die Debatte zum Gesetz zur Frauenquote und Unterstützungsangebote des UN Global Compact zu Gender Equality
Nur zehn Prozent aller Vorstände in Deutschland sind Frauen. Die jüngst beschlossene Quotenregelung soll das ändern. Für Unternehmen lohnt sich Gleichstellung auch wirtschaftlich. Die Vereinten Nationen haben "Gender Equality" als eines der 17 globalen Ziele für nachhaltige Entwicklung definiert. Der UN Global Compact stellt für Unternehmen verschiedene Instrumente und Publikationen bereit, mit denen Gleichstellung gefördert werden kann.

„Ich bin eine Quotenfrau“ – es war eine provokante Titelzeile, die Ende November 2020 auf dem Cover des Magazins „Stern“ prangte. 40 erfolgreiche Frauen aus Wirtschaft, Politik und Kultur fordern unter dieser Überschrift, das geplante Quotengesetz schnell umzusetzen, und mehr Chancengleichheit für Frauen. Unter ihnen sind zum Beispiel EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und DB Cargo-Chefin Sigrid Nikutta. Im Oktober vergangenen Jahres hatte sich mit der #ichwill-Kampagne und einer Pressekonferenz bereits ein Netzwerk prominenter Frauen um die ehemalige Siemens-Vorständin Janina Kugel und die Wissenschaftlerin Jutta Allmendinger für die Quote stark gemacht. „Wusstest du, dass die Vornamen Thomas und Michael bei den CEOs deutscher Unternehmen jeweils fünfmal häufiger vorkommen, als Frauen auf dem Chefsessel sitzen?“, fragt in dem Video zur Kampagne die Schauspielerin Maria Furtwängler.
 

Öffentlicher Druck und gesellschaftliche Debatte 

Das Bundeskabinett hat nun am 6. Januar 2021 eine Reform des Gesetzes für mehr Frauen in Führungspositionen beschlossen. Die Regelung betrifft die Vorstände von börsennotierten und paritätisch mitbestimmten Unternehmen. In Vorständen großer privater Unternehmen mit mehr als drei Mitgliedern muss unter bestimmten Voraussetzungen künftig mindestens eine davon eine Frau sein. Auch für öffentliche Unternehmen sollen verbindliche Quoten gelten. Darauf haben sich Union und SPD geeinigt. Es war ein zähes Ringen, und dass die Einigung am Ende zustande kam, lag wohl auch am öffentlichen Druck. „Stern“-Titel und #ichwill-Kampagne sind nur zwei Beispiele, die zeigen, wie dieser zuletzt gewachsen war. An den harten Fakten ändert das bisher allerdings wenig. Frauen und Mädchen machen mehr als die Hälfte der Weltbevölkerung aus, aber ihre Teilhabe am Wirtschaftsleben ist nach wie vor unterdurchschnittlich. Sie haben schlechtere Arbeitsbedingungen, stoßen beim Thema Karriere oft gegen die sogenannte „gläserne Decke“ und verdienen weniger – in Deutschland beträgt der „Gender Pay Gap“, also das durchschnittliche Einkommensgefälle zwischen Männern und Frauen, ganze 20 Prozent (1).
In Spitzenpositionen sind Frauen hierzulande bis heute eine Minderheit, wobei es in den ersten Januarwochen zahlreiche Änderungen in deutschen Vorständen und Unternehmen gab: die Hornbach Baumarkt AG begrüßt eine neue Finanzvorständin, die Allianz besetzt bereits die dritte Vorstandsposition mit einer Frau, Pfeiffer Vacuum hat ab sofort einen paritätisch besetzten Vorstand und BASF hat seit kurzen eine neue Technikvorständin und damit die zweite Frau im Vorstand. In den 200 größten deutschen Unternehmen betrug der Anteil von Frauen in Vorständen 10,4 Prozent (2). Die Allbright-Stiftung, die sich für mehr Frauen in Führungspositionen einsetzt, hat für die deutschen Führungszirkel das Bild vom „Thomas-Kreislauf“ geprägt: Männer berufen immer wieder nur Männer, die ihnen möglichst ähnlich sind (3).
Schon 2015 beschloss die Bundesregierung das „Gesetz für die gleichberechtigte Teilhabe von Männern und Frauen in Führungspositionen“ (4). Es schrieb börsennotierten und paritätisch mitbestimmten Unternehmen eine Frauenquote von 30 Prozent für ihre Aufsichtsräte vor und verpflichtete sie zugleich, Zielgrößen für den Frauenanteil im Vorstand festzulegen. Einen Effekt hatten diese freiwilligen Selbstvorgaben allerdings kaum. In den betroffenen Unternehmen liegt der Frauenanteil in den Vorständen bei gerade einmal 7,6 Prozent (5). 2019 schrieben sich über 50 Unternehmen als Zielquote eine „Null“ in den Geschäftsbericht (6). Das nun geplante Gesetz soll deshalb Freiwilligkeit durch Verpflichtung ersetzen. 
 

Stärkere Benachteiligung von Frauen in der Corona-Krise

In der Corona-Krise verstärkt sich das männliche Übergewicht in den Chefetagen noch. In den Vorständen der 30 Dax-Unternehmen sank der Frauenanteil zuletzt – und liegt derzeit nach Zahlen der Allbright-Stiftung bei 12,8 Prozent. Zum Vergleich: In den USA (26,8 Prozent) und Großbritannien (24,5 Prozent) ist die Frauenquote im Top-Management rund doppelt so hoch. Während die Führungsteams in anderen westlichen Industrienationen weiblicher und diverser werden, greife man in Deutschland in der Krise auf bewährte Lösungen zurück – und damit auf die Besetzung durch Männer, stellt die Stiftung fest (7). Dabei kann es gerade in herausfordernden Zeiten helfen, nicht nur auf die bisherigen Lösungen zu setzen, sondern Neues zu wagen, um den komplexen gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Herausforderungen der heutigen Zeit flexibel begegnen zu können.
Die Krise wirkt sich auch im Privaten negativ auf eine faire Lastenverteilung zwischen den Geschlechtern aus. So warnte kürzlich Jutta Allmendinger, Präsidentin des Wissenschaftszentrums Berlin für Sozialforschung, „dass Frauen durch Covid-19 bei der Gleichstellung um 30 Jahre zurückgeworfen werden“. Die Soziologin Allmendinger ist eine der wichtigsten Fürsprecherinnen der jüngst beschlossenen Quote. Die Regel soll für börsennotierte und paritätisch mitbestimmte Unternehmen gelten, in deren Vorstand es mehr als drei Mitglieder gibt und bisher keine Frau. Das trifft laut Unternehmensberatung BCG von den hundert größten Unternehmen allerdings auf gerade einmal 29 zu (8). Kritiker*innen bemängeln deswegen einen rein symbolischen Effekt – und weisen zudem darauf hin, dass selbst bei zehnköpfigen Vorständen nur eine einzige Frau dabei sein muss. Ein Kulturwandel könne so nicht gelingen. Dabei scheint es sich – ganz ohne Zwang und nicht nur für große Unternehmen – durchaus zu lohnen, auf mehr Gleichstellung zu setzen. Positive wirtschaftliche Effekte belegt eine Untersuchung der Unternehmensberatung McKinsey. Dieser zufolge haben Unternehmen, die besonders viele Frauen im Top-Management haben, eine um 21 Prozent größere Wahrscheinlichkeit, überdurchschnittlich erfolgreich zu sein. Bei deutschen Unternehmen mit einem hohen Anteil weiblicher Führungskräfte im Topmanagement verdopple sich die Wahrscheinlichkeit eines überdurchschnittlichen Geschäftserfolgs sogar (9). Unabhängig von möglichen wirtschaftlichen Vorteilen fordert Agenda 2030 mit SDG 5 eine generelle Geschlechtergerechtigkeit und Chancengleichheit für Arbeitnehmer*innen und sollte somit Ziel einer nachhaltigen Unternehmensführung sein.

Sanda Ojiambo, UNGCSanda Ojiambo, UNGC

Wie sich Gleichstellung umsetzen lässt – Initiativen des UN Global Compact
Die UN hat die Gleichstellung als eines der 17 globalen Ziele für nachhaltige Entwicklung definiert. Der UN Global Compact stellt für Unternehmen verschiedene Instrumente und Publikationen bereit, mit denen sie die Gleichstellung vorantreiben können. Hier finden Sie eine Übersicht:

Der UN Global Compact unterstützt die Women‘s Empowerment Principles (WEPs), die Grundsätze zur Stärkung von Frauen in Unternehmen. Die WEPs bieten eine konkrete Anleitung für mehr Chancengleichheit und haben in den letzten zehn Jahren mehr als 3.000 Unternehmen geholfen, Fortschritte bei der Gleichstellung zu erzielen.

Als Werkzeug steht ein digitales Analysetool bereit, das WEPs Tool (Women's Empowerment Principles Gender Gap Analysis Tool). Es hilft Unternehmen aller Sektoren und Größen, die WEPs einzuführen, indem es Fortschritte bewertet und Lösungen vorschlägt. Der zugehörige Leitfaden “Building inclusive Boards to achieve Gender Equality” zeigt Hindernisse auf, denen Frauen beim Zugang zu Führungsrollen und Verwaltungsratsmandaten gegenüberstehen und beschreibt Strategien, die Unternehmen ergriffen haben, um die Gleichstellung in Verwaltungsräten sicherzustellen.

Ein 2020 veröffentlichter Report "Women's Empowerment and Business: 2020 Trends and Opportunities" (Hrsg. UN Global Compact 2020) analysiert die bisherigen Ergebnisse von Unternehmen, die mit dem Tool arbeiten, und weist auf Rückstande in der Umsetzung von Gleichberechtigungsmaßnahmen in allen Bereichen hin. Die Bemühungen würden sich bislang vor allem auf die Gleichstellung am Arbeitsplatz und in Führungspositionen konzentrieren. Das Empowerment von Frauen in der Marktwirtschaft und in der Gesellschaft hingegen würde von Unternehmen noch weniger thematisiert und biete daher großen Verbesserungsspielraum. 

Für Unternehmen, die gezielt den Anteil von Frauen in Spitzenpositionen erhöhen wollen, gibt es das Target Gender Equality Programm. Mit Workshops und Analysen hilft es bei der Erreichung von Gleichstellungszielen, beginnend mit der Vorstands- und Geschäftsleitungsebene. Ein einführender E-Learning Kurs ist frei verfügbar in Englisch und wird vom DGCN im Frühjahr 2021 ins Deutsche übertragen.

Die Publikation “COVID-19 & Gender Equality: A Call to Action for the private Sector” zeigt auf, wie Unternehmen mit Hilfe der WEPs die Gleichstellung in Zeiten der COVID-19 Krise vorantreiben können.

Im Business & Human Rights Portal finden sich weiterführende Argumente darüber, warum Geschlechtergerechtigkeit im Mittelpunkt von Wirtschaft und Menschenrechten stehen soll.

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Für wen gilt das neue Gesetz? 

Das „Zweite Führungspositionen-Gesetz (FüPoG II)“, auf das sich die Koalition jüngst geeinigt hat, soll für Unternehmen gelten, die börsennotiert und paritätisch mitbestimmt sind und deren Vorstand mehr als drei Mitglieder hat. Dann muss künftig mindestens eine davon eine Frau sein. Für Unternehmen, die mehrheitlich im Besitz des Bundes sind, gelten strengere Regeln: Dort muss in Zukunft schon ab drei Vorstandsmitgliedern eine Frau dabei sein. In Körperschaften des öffentlichen Rechts wie den gesetzlichen Krankenkassen sowie den gesetzlichen Renten- und Unfallversicherungsträger und der Bundesagentur für Arbeit gilt die Pflicht ab zwei Mitgliedern. Für die öffentlichen Unternehmen soll außerdem künftig für die Aufsichtsräte eine Frauenquote von 30 Prozent gelten. Die neuen Regeln gelten nur für Neubesetzungen, kein Mann muss also seinen Vorstandsplatz für eine Frau räumen. 

Was passiert bei Verstößen?
Verstößt ein Unternehmen gegen das neue Gesetz und besetzt einen Vorstandsposten mit einem Mann, der an eine Frau hätte gehen müssen, ist die Bestellung nicht wirksam und der Posten bleibt leer. Unternehmen, die nicht unter die neue Regel fallen, weil sie keinen Vorstand mit mindestens vier Mitgliedern haben, die aber börsennotiert und mitbestimmt sind, müssen in Zukunft begründen, wenn sie als Zielgröße für ihre Spitzengremien und die beiden ersten Führungsgremien einen Frauenanteil von null Prozent anstreben. Tun sie das nicht, müssen sie ein noch zu definierendes Bußgeld zahlen. 

Ab wann gilt die verbindliche Quote?
Das Gesetz wurde am 6. Januar im Kabinett beschlossen. Dann gilt die Frauenquote ab 2021.

Women's Empowerment and Business: 2020 Trends and OpportunitiesWomen's Empowerment and Business: 2020 Trends and Opportunities

Women's Empowerment Principles Gender Gap Analysis ToolWomen's Empowerment Principles Gender Gap Analysis Tool

UN Global Compact Target Gender Equality ProgrammUN Global Compact Target Gender Equality Programm

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