Das Sorgfaltspflichtengesetz: Worum geht es und wie kann sich Ihr Unternehmen darauf vorbereiten?

Das Sorgfaltspflichtengesetz
Nach monatelangen Verhandlungen stehen nun die wesentlichen Anforderungen des Sorgfaltspflichtengesetzes fest. Diese sehen abgestufte Sorgfaltspflichten für Unternehmen mit Blick auf die eigenen Aktivitäten und unmittelbaren Zulieferer, aber auch weitere vorgelagerte Stufen - vor. So sollen etwa Zwangs- und Kinderarbeit in der Lieferkette verhindert werden. Bei Verstößen sind Bußgelder und Ausschluss von öffentlichen Aufträgen vorgesehen. Nichtregierungsorganisationen und Gewerkschaften sollen Betroffene bei Verstößen künftig einfacher vor deutschen Gerichten vertreten können. Es ist geplant, das Gesetz noch vor der Bundestagswahl im September im Bundestag zu beschließen. Nach jetzigem Stand sollen die Regelungen für Unternehmen mit mehr als 3.000 Beschäftigten ab 1. Januar 2023 und für Firmen mit mehr als 1.000 Beschäftigten ein Jahr später gelten.
Die Hintergründe
Im Juni 2011 hat der Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte angenommen. Diese definieren die staatliche Schutzpflicht und unternehmerische Verantwortung für die Achtung der Menschenrechte in globalen Wertschöpfungsketten. Als Teil ihrer Schutzpflicht halten die UN Leitprinzipien Staaten an, einen "Smart Mix" aus freiwilligen und verbindlichen, nationalen und internationalen Maßnahmen zu ergreifen, um die Einhaltung der Menschenrechte durch Unternehmen zu fördern und zu fordern. Auch der UN Global Compact unterstützt dies.
In ihrem Nationalen Aktionsplan zur Umsetzung der UN-Leitprinzipien (NAP), hat die Bundesregierung im Jahr 2016 zuerst auf ein freiwilliges Engagement von Unternehmen gesetzt und gleichzeitig einen Überprüfungsmechanismus eingerichtet. Sollten bis 2020 weniger als 50 % der Unternehmen mit mehr als 500 Mitarbeitenden ihren Sorgfaltspflichten nachkommen, so solle laut NAP und Koalitionsvertrag eine gesetzliche Regelung folgen. Das Ergebnis des sogenannten NAP-Monitorings: nicht einmal ein Fünftel der Unternehmen erfüllen ihre menschenrechtlichen Sorgfaltspflichten.
Spätestens seitdem wurde ein mögliches Sorgfaltspflichten- oder Lieferkettengesetz gesellschaftlich wie politisch intensiv diskutiert. Kein Wunder, denn globale Wertschöpfungsketten machen 80 % des Welthandels aus, sind Existenzgrundlage für 450 Millionen Menschen und ein ganz wesentlicher Hebel für die Umsetzung der nachhaltigen Entwicklungsziele (SDGs). Keine zweite Industrienation ist so intensiv in internationalen Lieferketten eingebunden, wie Deutschland. Deutsche Unternehmen haben 2018 im Import einen Umsatz von 1,09 Billionen Euro erwirtschaftet. Somit ist das geplante Gesetz für die deutsche Wirtschaft hoch relevant.
Unterstützung bei der Umsetzung
Für viele Unternehmen stellt sich nun die Frage, was die kommenden Anforderungen konkret für sie bedeuten. Die gute Nachricht: Das Rad muss und soll nicht neu erfunden werden. Vielmehr kommt es bei der Erfüllung der menschenrechtlichen Sorgfaltspflicht darauf an, auf bestehende Prozesse aufzubauen. Denn nur so können menschenrechtliche Aspekte systematisch und wirksam in Unternehmensabläufe integriert und als Teil der Unternehmenswerte gelebt werden. Das Deutsche Global Compact Netzwerk bietet im Rahmen verschiedener Lern- und Dialogformate praxisnahe Unterstützung:
- Das Trainingsprogramm „Fit für Menschenrechte“ unterstützt Unternehmen über mehrere Monate und mit fachlicher Begleitung durch Expert:innen bei der systematischen Umsetzung ihrer menschenrechtlichen Sorgfaltspflicht, wie sie in verschiedenen politisch-rechtlichen Rahmen gefordert wird. Besonders im Vordergrund stehen dabei die Ermittlung, Bewertung und Priorisierung menschenrechtlicher Risiken entlang der Wertschöpfungskette sowie die Ableitung von Handlungsansätzen zum effektiven Management identifizierter Risiken. Das Programm beginnt am 4. Mai, Anmeldeschluss ist der 16. April. Detaillierte Informationen zu Ablauf, Inhalten und Teilnahmegebühren finden Sie hier.
- Neu bieten wir in diesem Jahr eine vierteilige, kostenfreie Webinarreihe zu den ILO-Kernarbeitsnormen an. Weshalb sind Gewerkschaften und Kollektivverhandlungen wichtig? Wann genau spricht man von Kinderarbeit und wann wird Ausbeutung zur modernen Sklaverei? Welche Bereiche des Arbeitslebens schützt das Diskriminierungsverbot? Genau diesen Fragen widmet sich die Reihe und geht dabei insbesondere auf praktische Relevanz für Unternehmen sowie auf konkrete Handlungsansätze ein:
- 31. März: Brücken bauen: Vereinigungsfreiheit und Recht auf Kollektivverhandlungen
- 17. Juni: Ausbeutung bekämpfen: Beseitigung der Zwangsarbeit
- 23. September: Kinder schützen: Abschaffung von Kinderarbeit
- 8. Dezember: Gleich behandeln: Verbot der Diskriminierung in Beschäftigung und Beruf
- In kostenfreien Einführungswebinaren informieren wir dieses Jahr über grundlegende Anforderungen an Unternehmen, geben einen Überblick über die Bedeutung von Menschenrechten im Unternehmenskontext und liefern erste Anregungen dazu, wie sie in unternehmerisches Handeln integriert werden können. Dabei setzen wir den Fokus auf verschiedene Branchen und Themen:
- 3. März: Einführung Wirtschaft & Menschenrechte - allgemein
- 15. Juni: Einführung Wirtschaft & Menschenrechte - Fokus KMU
- 29. September: Einführung Wirtschaft & Menschenrechte - Fokus Dienstleistungsbranchen
- 1. Dezember: Einführung Wirtschaft & Menschenrechte - Fokus Lieferketten
- Unser Infoportal Menschenrechtliche Sorgfalt bündelt Praxisleitfäden, Umsetzungsbeispiele und weiterführende Informationen zur menschenrechtlichen Sorgfaltspflicht. Das Human Rights Capacity Diagnostic hilft, den eigenen Umsetzungsstand einzuschätzen. Die Webinarreihe menschenrechtliche Sorgfalt bietet konkrete Umsetzungsanleitungen zu den Kernelementen menschenrechtlicher Sorgfalt.